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passage jakob
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(Jean-Luc Nancy)
>passage jakob.<
Eine eurythmisch-literarische Performance
„Der Kinderkopf war das erste, der nach innen blickende, verkohlte, eigene Kinderkopf. Später, zum Ende hin war es der gestreckte Arm, der Buchenwald.“ - >passage jakob.< - Ähnlich den Blicken auf der Straße, die einen ansehen, auffinden, erinnern. Und auch ein Raum, in der der eine spricht, der andere eine sich bewegt. Seine Hand, seinen toten, vergangenen Körper anzunehmen beginnt, seine Möglichkeit angesehen zu werden. – „Seine Kleidung in meinen Händen lag, noch ungefaltet, warm“ –>passage jakob.<
Die Performance „>passage jakob.<“ entstand im Jahre 2010 in Zusammenarbeit mit der Sprecherin Christiane Moreno. Ausgangspunkt der Performance war die Frage: Können eurythmische Bewegungen, als Sinnesorgane angewendet, dazu beitragen, sich an einen Verstorbenen zu erinnern? Dieses Erinnern und nicht das in der Erinnerung enthaltene Geschehen zu gestalten, war der eigentliche Sinn dieser Performance, ihre Utopie. Ihr Ausgangspunkt war, ob der Name Jakob, der imaginativ von mir erst in einer Krisensituation erkannte Name des Verstorbenen, seine Lautlichkeit, als eurythmisch aufgefächerter Bewegungsprozess mich erinnern würde. Wer würde mich als Wirkung der eurythmischen Bewegung anschauen? Wessen Erinnerung oder Anrufung werde ich dabei ausgesetzt? Es sind Fragen, die wohl nur mit einer dem Ritual nahen Erfahrung der gestalteten Aufmerksamkeit erkannt und formuliert werden können.
Ich stellte mich damit eurythmisch der in diesem Buch aufgeworfener Frage nach dem Umraum als einem Anfang von Bewegung. In der Konsequenz, die sich als Bewegungsbeginn für mich nur als Frage formulieren ließ, war es ein tatsächliches »Wer bewegt mich?« Eine solche künstlerische Auseinandersetzung mit durchaus auch esoterischen Fragestellungen, kann aus meiner Sicht als Beginn einer Schwellensituation gelten, zu der die Eurythmie mit ihren Mitteln der Bewegung Zugang vermittelt.
In dieser Performance geschahen schnelle, ruckartige, fast brutale Bewegungen, die in mich hineinbrachen, sich von mir lösten, um erneut hereinzubrechen. Später entstand das Bild eines Kindes in meinen gebeugten Armen. War ich dabei allein? Waren die Zuschauer in diesen Prozessen allein? Alle Beteiligten waren auf etwas zurückgeworfen, das einen ansah, und wenn es lediglich das eigene Nichtverstehen einer solchen eurythmischen Inszenierung war.
Einige Aspekte zur Inszenierung: Hauptrichtung war die Einladung an die Zuschauer, Bewegung zu sehen. Einer solchen Anforderung versuchte sich diese Performance zu stellen, in einer radikalen Bezogenheit Bewegung als Lebensäußerung zu verstehen und nicht als Erzählung oder als Bild einer mitgesprochenen Sprache, eines Inhalts, der ausgesprochen werden möchte. Eine Bedingung dafür war, dass die hörbare Sprache, ihre Textlichkeit, nicht parallel zur eurythmischen Bewegung stattfand, sondern dass sie gleichermaßen in Differenz wie in Beziehung zur Bewegung gestaltet wurde, womit die eigentliche gemeinsame Bewegungsgeste als Form ihres gemeinsamen Tanzes aufgefunden werden konnte.
„Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Eurythmie eben eine wirklich sichtbare Sprache und als solche ein Seelenausdruck ist wie die Lautsprache. So dass also dasjenige, was die Eurythmie zur Darstellung bringt, für das Auge so wirken muss lediglich durch ihre Kunstmittel, wie die Lautsprache auf und durch das Ohr wirkt. […] Es muss vollständig die Aufmerksamkeit durch die Bewegung selber auf die Bewegung konzentriert werden können.“
Diese Gedanken Rudolf Steiners, die in ihnen liegenden Konsequenzen, waren unmittelbare Inspiration, „>passage jakob.<“ überhaupt zu beginnen, sich dieser Thematik zu stellen und sich dem mit jeder Performance gegebenen Risiko auszusetzen, die für die jeweilige Performance notwendige eurythmische Vorgehensweise zuallererst entwickeln zu müssen. Für mich ist das Entwickeln einer solchen immer wieder anders abgestuften Methode 94 unabdingbar, um die stattfindenden Prozesse, Begegnungen und Konfrontationen einer derart performativen Arbeit zu verantworten. Wesentlich ist dies, wenn es sich – wie bei dieser Performance – um eine Art von Autoren-Eurythmie handelt, die ihren Text, der hier ein reiner Bewegungstext war, erst in der Konzeptionsphase und im Probenverlauf der Performance entwickelt hat. Bei „>passage jakob.<“ geschah dies zu größten Teilen aus dem Wort Jakob, seinem Lautgeschehen heraus. Aufgrund dessen, wie Eurythmie hier als Lebensäußerung einer Erinnerung, eine »Ich werde erinnert« auftritt, ist es für mich unabdingbar, das bewegungsmäßige Aufeinanderfolgen der Laute in eine andere Abfolge, ein anderes zeitliches Maß als die in der ausgesprochenen oder schriftlichen zutage tretenden Form von Sprache zu bringen. Diese Vorgehensweise wird in der nach diesem Abschnitt folgenden Betrachtung der Performance „Ein Haufen von Ich“ in durchaus persönlicher Weise weiter beleuchtet.
Motiv der Performance „>passage jakob.<“ war, den Vorgang des Erinnerns, die Erinnerung an eine gewaltsam zu Tode gekommene Person, eines Kindes, in dem ich mich real wiederkannte, sowie auch den umgekehrten Prozess des davon „Erinnert-Werdens“, so darzustellen, dass sich dieser wechselläufige Vorgang dem Zuschauer mitteilt, für ihn zum wahrnehmbaren Ereignis wird.
Es wurden damit meiner Intention entsprechend Stufen einer Aneignung offengelegt, die im Sinne dieser Untersuchung als Beispiel eines gesellschaftlichen Umgangs mit Erinnerung gelten können, konkret als Versuch, den Äußerungen eines persönlichen Lebens nicht auszuweichen, sondern diese als eine Anforderung von Verantwortung, Verwandlung und Aneignung zu leben. Die Stufen einer solchen Aneignung beschrieb die Zuschauerin Regula Stettler genauer in den Abstufungen von „Annahme“, „Anverwandlung“, „Verwandlung“ und „Vergebung“. Ein solches begriffliches Benennen war mir als Performer und Autor der Performance „>passage jakob.<“ kaum möglich, da ich als Beteiligter auch ihr Erinnerter, ihr Körper selbst war. Wohl erst hierdurch entwickelte diese Performance ihr Teilen, ihren Versuch, Bewegung und Sprache als ein Tatsächliches, als Ereignis und nicht als Interpretation von Inhalten und Situationen weiterzugeben.
Das folgende Zitat von Jean-Luc Nancy, das die Arbeit an der Performance, ihre Konzeption von Anfang an begleitete, zeigt dies in der Vielfältigkeit seiner Ebenen und Konsequenzen an. In dieser Konsequenz stellte ich mich dieser eurythmischen Performance zur Verfügung und wurde von ihr in Teilen bewegt und aufgefunden.
„Der andere da drüben, nah in seiner Entfernung, gespannt, eingefaltet, entfaltet, verborgen, hallt in meinen Gelenken wider. Ich nehme ihn eigentlich weder mit meinen Augen noch mit meinem Gehör noch durch Berührung wahr. Ich nehme ihn nicht wahr, ich halle wider. Hier bin ich, gekrümmt von seiner Krümmung, geneigt nach seinem Winkel, angestoßen von seinem Schwung. Sein Tanz hat an meinem Platz begonnen. Er oder sie hat mich deplatziert, mich beinahe ersetzt.“
Der andere da drüben, nah in seiner Entfernung, gespannt, eingefaltet, entfaltet, verborgen hallt in meinen Gelenken wider. Ich nehme ihn eigentlich weder mit meinen Augen noch mit meinem Gehör noch durch Berührung wahr. Ich nehme ihn nicht wahr, ich halle wider. Hier bin ich, gekrümmt von seiner Krümmung, geneigt nach seinem Winkel, angestoßen von seinem Schwung. Sein Tanz hat an meinem Platz begonnen.
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